Von der Schmidtburg zur Alteburg
Am nächsten Morgen sattelte ich wieder auf, um meinen Weg fortzusetzen. Das Pärchen war bereits verschwunden. Ich war anscheinend spät dran. Das Einpacken dauert ja auch schon seine Zeit. Auch das ist ein absoluter Optimierungspunkt, dachte ich mir. Auf der anderen Seite wollte ich mich nicht hetzen, jedoch saß mir der Gedanke an die Wasserversorgung im Nacken. Ich musste also das nächste Etappenziel mit Wasser vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.
Es bot sich mir ein wirklich wunderschöner und abwechslungsreicher Weg in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Steigung, Tal, Wald, Wiese, Flussläufe, Schöne Holzbrücken, alles war dabei.
Vor einer Abzweigung, die mich nach rechts weiter zu meinem Ziel führte und nach links zum Keltendorf, musste ich eine Entscheidung treffen.

Ich wollte das Keltendorf Altburg sehen und nahm dafür eine Schleife von etwa 10 km in Kauf. Wie sollte es anders sein: Es war nicht geöffnet. Das war schon enttäuschend. Ich hoffte auf das Bier, welches mir empfohlen wurde und lief den Wald-Trail hinauf und ab zum Besucherbergwerk Herrenberg und traf dort, genau richtig zur Mittagszeit ein. Auch dieses war natürlich nicht geöffnet. Das ersehnte Bier blieb ebenfalls aus, da auch das Bistro geschlossen war.

Immerhin war die öffentliche Toilette geöffnet, um Wasser tanken zu können. Sehr hygienisch sah das Ganze allerdings nicht aus. Könnte aber auch daran liegen, dass alles geschlossen war und sich niemand kümmerte. Salami, Vollkornbrot, Käse und Ei waren die ideale und langanhaltende Sättigung zum Mittagessen. Meinen Müll vom Vortag, den ich seit dem Morgen am Rucksack mit mir herum trug, konnte ich in den öffentlichen Mülleimern entsorgen.
Nach der Mittagspause zog es mich zu einem wunderschönen Aussichtspunkt. Ich meine, dass das der Teufelsfels oder Blickenstein war, bin mir aber da nicht mehr so sicher. Ich rastete und beobachtete eine Familie. An dem Aussichtspunkt ragte ein alter Torbogen entlang, den die Tochter bestieg. Besorgt ermahnte der Vater zur Vorsicht, überwand dann aber selbst die eigene Angst und kletterte vorsichtig ebenfalls hinauf. Der Bruder stellte sich unter den Torbogen und jemand anderes machte ein Bild. An diesem Punkt fiel mir auf wie sehr wir uns von unseren Ängsten beeinflussen lassen, sie auf andere Menschen projizieren, wie viel Angst ich selbst hatte alleine loszuziehen und wie weit ich nun schon war. So wie der Vater stellte ich nach der Überwindung fest, dass es gar nicht so schlimm war, wie ich es mir ausmalte. Zumindest war das der Stand zu diesem Zeitpunkt …

Seelig ging ich meinen Weg weiter, der mich den Soonwaldsteig verlassen ließ und zum Ort Schlierschied führte. Weshalb? Richtig. Wasser. Es sollte vorerst die letzte Station werden, wo ich die Möglichkeit hatte meinen Wasserbestand aufzufüllen. In der Ortsmitte befand sich ein Springbrunnen an dem ich mich niederließ und meine schmerzenden Füße aus den Schuhen nahm, um ihnen etwas Luft und Entspannung zu gönnen. Ich schaute mich um und suchte nach dem „Backhaus”, welches das Trinkwasser für Wanderer bereit hielt und fand es einfach nicht. Das Wasser, welches ich eben noch genussvoll trank setzte ich ab, weil ich unsicher war, ob ich die Quelle noch finden würde.
Ganz schnell schlüpfte ich wieder in meine Schuhe und begann zu suchen. Erst hinter dem Haus, wo bellende Hunde mich einfach nicht zu Wort kommen ließen, als ich danach fragte. Dann suchte ich vor dem Haus. Dabei musste ich so verwirrt ausgesehen haben, dass ein älteres Ehepaar mich “auffing” und mich direkt mit der Nase darauf stieß. Ich suchte also die ganze Zeit um das “Backhaus” herum. Muss einem doch gesagt werden, dass ich hätte hinein gehen sollen. Normalerweise betrete ich nicht einfach so irgendwelche Gebäude. Wohl wissentlich, dass die nächste Strecke eine Durststrecke werden würde und ich mit meinem 1,5 L nicht auskommen würde, habe ich noch 2 leere Wasserflaschen zum auffüllen bekommen. Das Wasser im Backhaus, das seinem Namen aller Ehre trägt und noch immer einen alten Backofen in sich beherbergt, bot eine pure Erfrischung an diesem heißen Tag. Ich vergrub mein Gesicht in dem kalten Wasser, füllte alle meine Flaschen (nun 4,5 L) und durchtränkte mein Tuch, welches ich zur Kühlung unter meinem Kappe trug. Das restliche Wasser, welches ich von Bergwerk Herrenberg mitnahm erlaubte ich mir weg zu schütten.
Gestärkt stieg ich wieder in den Wald hinauf und kam, nach ein wenig umherirren, an die Holzbrücke, die über den Simmbach führte. Dort saßen zwei Männer, die sichtlich auch mehrere Tage unterwegs waren. Sie spülten ihre Wäsche und tankten Kraft. Mir sollte schon bald klar werden, weshalb sie an dieser Stelle ausruhten. Der Bach roch nicht wirklich danach, dass ich daraus trinken würde. Die Männer bestätigten meine Annahme bevor ich die Brücke überquerte, wo mich bereits die erste Hürde erwartete. Umgestürzte Bäume, über die ich nicht herüber klettern konnte mit dem Gepäck. Die einzige Lösung, die sich bot, war wieder einmal das Hinauflaufen des Hangs. Also gut. Es war anstrengend, aber machbar. Motiviert ging ich weiter und was kam auf mich zu? Treppen! Steile, hohe Treppen und mit großen Steinen durchsetzte Wege. Ich schnaufte als ich dort hinauf stieg. Es kostete viel Kraft.
Als ich schwitzend oben ankam und diese wundervolle Aussicht genoss, dachte ich in diesem Moment ich habe es geschafft und das nächste Ziel sei nicht mehr weit – bis zu dem Zeitpunkt als ich meinen Kopf drehte und die Schilder las. Ich schaute sie zwei mal, drei mal an, um mich zu vergewissern, dass mein Weg wirklich weiter nach oben ging. Ich sah sie von allen Winkeln an, die Richtung änderte sich jedoch nicht. Ich musste also weiter nach oben, auf die gleiche Art und Weise, die ich gerade hinter mir hatte. Puh.
Irgendwo bog ich auch noch falsch ab und ich musste halt machen, um mich neu zu orientieren. In dem Moment als ich nach meinem Handy kramte, kam ein PKW um die Ecke. Es war ein Förster, der mir haargenau erklären konnte und auch noch haargenau auf die Motorhaube in den Staub zeichnete, wie ich zu laufen habe. Das er mich fuhr, lehnte ich ab. Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht. Bisher, kam immer wieder ein Menschlein daher, dass mir irgendwie weiter half, als ich in dem Moment nicht weiter wusste. Ich fühlte mich selig und gut aufgehoben. Im Grunde genommen kann ich gar nicht verloren gehen bei den vielen positiven Zufällen, die mich in den letzten zwei Tagen begleitet haben.
Am Tourbeginn wurde ich sogar zur Fähre gefahren, die mich über den Rhein brachte, um auf der anderen Rhein-Seite zum Bahnhof Bingen zu gelangen. Von dort aus fuhr ich nach Kirn. Das Leben ist schon richtig toll. Zufrieden grinsend lief ich weiter und kam dann auch wieder, dank der perfekten Beschreibung, auf den Soonwald-Steig zurück. Die Füße schmerzten und der Gang war schwer.
Zwei Damen mit Hunden kreuzten meinen Weg, die sich an einem Bach ausruhten. Ich vermutete, dass sie nur Gassi gingen und lies sie schnell hinter mir. Ich wollte nur noch ankommen und aus den Schuhen raus. Da war sie nun endlich: Die Alteburg. Meine Erwartungshaltung von einem schönen Trekkingplatz und einer Burgruine, ähnlich der Schmidtburg, empfangen zu werden, wurde blitzschnell gedrosselt. Ich stand mitten im Wald neben einem kalten Turm, es wehte bereits ein kalter Wind und der Boden war mit braunem Laub bedeckt. Ich suchte und suchte die Schlafplätze, die für mich einfach nicht ersichtlich waren. Die Zeit drängte und ich hatte auch nicht die Kraft weiter zu suchen. So ließ ich einfach alles vor dem Turm fallen und begann mit dem Aufbau des Zeltes. Die Damen von vorhin trafen ein und suchten ebenfalls, die Plätze, die sie sogar online vorher gebucht hatten. Nichts. Wir gingen dann zusammen etwas weiter in den Wald hinein und bauten dort unsere Zelte auf dem weichen Laubbett auf. Die jungen Männer, die ich am Nachmittag unten am Simbach getroffen habe, trafen ebenfalls ein und hatten ihr Zelt in Null-Komma-Nix aufgebaut. Erleichtert, dass ich an diesem gruseligen Ort nicht alleine nächtigen würde, ging ich zu meinen Abend-Rhythmus über: Kochen, Zähneputzen, Katzenwäsche, Abbürsten, Gute Nacht.
Zum Thema Trekking-Camp: Wer glaubt, dass diese Vergleichbar wie mit Zeltplätzen ist, der täuscht sich. So, wie ich natürlich ebenfalls irrte. Trekkingplätze bieten lediglich eine “offizielle Fläche” zum Wildcampen. Sanitäre Anlagen oder Ähnliches sind dort nicht zu erwarten.
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